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Reisen – Ottbergens Wallfahrtkapelle

Hallo liebe Lebensmaler,

ich weiß nicht, wie es euch geht, aber die anhaltende Pandemie macht mir einen großen und immer länger werdenden Strich durch meine Reisepläne – und mein Fernweh wächst täglich. Durch meine Arbeit als Erzieherin habe ich jeden Tag aufs allerengste mit den kleinen Rabauken zu tun – Begrüßung, Hilfe beim An- und Ausziehen, wickeln und Popo abwischen, kuscheln, trösten, vorlesen, Brotdosen und Flaschen öffnen und schließen helfen lassen eine Distanz von 1.5 Metern einfach nicht zu -, sodass ich in meiner Freizeit alle Kontakte eingeschränkt habe, um niemanden zu gefährden, da in meiner Kita schon Covid-Fälle gemeldet wurden. Durch diese leider notwendige Abkapslung bin ich viel allein und wenn draußen, dann ortsgebunden.

„Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.“

Getreu nach Goethes Zeilen habe ich also mal überlegt, was es eigentlich um die Ecke bei mir an schönen Orten zu entdecken gibt. Ich bin sehr gerne draußen in der Natur, am allerliebsten im Wald, und bei diesem Gedanken kam ich auf einen Ort, den ich immer nur vom Auto aus auf dem Weg zur Arbeit sehe:

Ich rief meine Schwester an, ob sie Lust hätte, mit mir spazieren zu gehen (an der frischen Luft kann ich diesen Kontakt besser mit meinem Gewissen vereinbaren) und kurzerhand verabredeten wir uns für den Nachmittag. Wir hatten richtig Glück, denn obwohl es eisig kalt war, schien die Sonne und der Wind hielt sich in Grenzen, sodass es ein wunderschöner Gang zu werden versprach. Wir trafen uns in der Mitte unserer jeweiligen Wohnorte und fuhren in einem Auto weiter nach Ottbergen. Dort hielten wir auf dem Parkplatz bei der Bushaltestelle und schauten uns zunächst die Karten und Infotafeln an, die um den Platz verteilt waren.

Ottbergen ist nur knapp 11km von meinem zu Hause Hildesheim in der Vorharz-Landschaft entfernt. Es liegt am Fuße des Vorholzes, einem Ausläufer der Harzer Berge, und ist seit Jahrhunderten ein Wallfahrtsort. Auf dem Bergrücken wurde vor langer Zeit bereits eine kleine Kapelle errichtet – und zwar um 1700, nachdem etwa 20 Jahre zuvor ein Schäfer eines Abends ein großes Kreuz über dem Berg aufleuchten sehen haben soll. Die damals von der Pest bedrohten, verzweifelten Menschen der Umgebung pilgerten zum Ort der Erscheinung und beteten um Hilfe. So entstand die Tradition der Wallfahrt, die heute noch besteht.

Meine Schwester und ich machten uns auf den Weg den Berg hinauf; dieser Weg war eine grasbewachsene, mit Linden besäumte Fläche, ähnlich einer Allee, die hinauf zur Kapelle führte. Auf diesem Weg entdeckten wir in regelmäßigen Abständen große Sandsteintafeln rechts und links, die mit Fliesen verziert waren. Sie wurden Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Fliesen hinzugefügt, die die Stationen des Kreuzweges zeigen, wie ich jetzt recherchiert habe. Auch um die Kapelle herum finden einige Stationen ihren Platz.

Die Kapelle wurde ursprünglich um 1700 herum aus Holz errichtet, kaum 30 Jahre später durch eine steinerne Kapelle ersetzt, 1905 erweitert, da die vielen Pilger von nah und fern nicht genug Platz fanden, und weitere 75 Jahre später nahm die Kirche ihre heutige Form an. Die Bäume wurden erst gegen 1870 gepflanzt und bilden heute einen schönen Rahmen für den Anstieg zur Kapelle. Ich kann mir vorstellen, wie schön es im Sommer sein muss, hier entlangzugehen, zu picknicken oder sich den Sonnenuntergang im Schatten der Linden anzusehen.

Meine Schwester und ich schauten uns die Kapelle von außen an, lugten durch die Fenster in den Innenraum und machten uns dann rechts herum auf zur Hinterseite der Kapelle, zu der Seite, die aus der Ferne zu bewundern ist. Und dann bewunderten wir die Ferne vom Berg aus – wir konnten den Blick richtig schweifen lassen über die weite Ebene, die bekannte “Hildesheimer Börde”. Wunderschön war es – wie muss das erst im Sommer aussehen, wenn die Farben viel mehr leuchten als im Winter!

Nachdem wir genug hatten von der Aussicht, machten wir uns auf den Weg durch den Wald, denn wir wollten natürlich noch eine Runde gehen. Wir kamen vorbei an Flächen, auf denen die Baumstümpfe verschneit aus dem Boden ragten und kämpften uns mit unseren bis dahin sauberen Schuhen durch matschige und rutschige Waldwege (und ja: durch, nicht über). Unseren ersten Stopp machten wir an einem weiteren Aussichtspunkt, in dessen Nähe ein kleiner “Spielplatz” in die Natur integriert worden war: ein “Barfußpfad” und eine aus zwei Baumstämmen gebaute Wippe, was im Sommer sicherlich Andrang findet bei kleineren Spaziergängern. 🙂

Es gab eine Auswahl an Wegen und wir entschieden uns für einen, der uns auch während des Spaziergangs mit viel Sonne und tollen Aussichten belohnte. An Bäumen am Wegrand waren in regelmäßigen Abständen Tafeln angebracht, auf denen wir wissenswerte Informationen über die heimischen Bäume lesen konnten. Schließlich führte uns der Weg vorbei an einer großen, abgeholzten Fläche und hätte uns sicherlich auch noch weiter geradeaus mitgenommen, doch so langsam wurde das Licht schwächer und wir wollten uns auf den Rückweg machen, sodass wir uns bei nächster Gelegenheit nach rechts wandten und einem Pärchen mit Dackel folgten, das vor uns den steilen Weg hinabkraxelte. Wieder in Richtung Kapelle/Ottbergen unterwegs entdeckten wir sofort den nächsten in die Natur integrierten Spielplatz: kräftige Taue, die um eine Gruppe von Bäumen gespannt waren und zum Balancieren einluden. Natürlich mussten wir das sofort ausprobieren und es machte total viel Spaß 🙂

Nachdem wir unseren Gleichgewichtssinn genug erprobt hatten, kämpften wir uns weiter durch matschige Wege, erneut vorbei an der abgeholzten Fläche – und plötzlich hüpfte ein Reh vor unseren Nasen direkt über diese Fläche, über den Weg und schließlich ins Unterholz auf der anderen Seite. “Bambis Mama!”, rief meine Schwester – und nur wenige Meter weiter hüpfte Klopfer vor uns von links nach rechts durchs Gestrüpp. Wir waren direkt an ihm vorbeigegangen, ohne ihn zu sehen; wäre er nicht losgehüpft, hätten wir ihn nicht mal bemerkt. Wir gingen vorsichtiger weiter und hielten Ausschau nach Blume, dem kleinen Stinktier – hatten dabei aber leider kein Glück 😉

Wir schnauften an der Rückseite des Berges unterhalb der Kapelle einen schmalen, schmalen Pfad hinauf und kamen rechts an der Lourdesgrotte wieder heraus. Diese kleine Gebetsgrotte wurde 1911 auf Initiative eines Hildesheimer Zahnarztes hin gebaut. Laut Überlieferung ist eine seiner Patientinnen nach der Narkose nicht mehr erwacht – um dafür Sühne zu leisten, ließ Herr Dr. Schreiber mit Unterstützung eines Hildesheimer Kaufmanns und einer Hofbesitzerin in Einum diese Mariengrotte errichten. Eine Marienstatue steht, geschützt von Steinen, erhöht über geschmückten Vorsprüngen, Kerzen sind angezündet und auch das Besucher-, Fürbitten- und Danksagungsbuch ist gut gefüllt mit Botschaften. Mir gefiel diese kleine Grotte gut, sie ist wie ein Zufluchtsort, an dem ich mich kurz niederlassen und für eine Weile einfach nur sein kann. Leider wollte meine Schwester “endlich zum Auto”, sodass mir dazu nicht die Zeit blieb. Vielleicht dann beim nächsten Mal 🙂

Auf dem Abstieg warfen wir noch einen letzten Blick über die Schulter – schön, wie die Kapelle im Abendlicht leuchtete. An einer kleinen Koppel linksab der Lindenallee machten wir aber doch noch Halt, um die Pferde dort zu streicheln, denn wir sind beide Pferdemädchen – meine Schwester noch mehr als ich – und dann zog ich meine mit Erde verpampten Schuhe aus, während meine Schwester ihre in eine Plastiktüte steckte und es sich auf dem Beifahrersitz gemütlich machte – ein schöner Schwestern-Tag in der Natur!

Manchmal kann Corona also wirklich ausbremsen und die Freude nehmen, aber es gibt mir auch die Möglichkeit, mal ein bißchen näher zu schauen, was eigentlich Schönes und Sehenswertes so um mich herum ist. Ich fliege ja wirklich eher an entlegenere Orte, wenn ich dann mal Urlaub habe, und so ein bißchen Heimat-Sightseeing hat ja auch etwas. Welche Orte gibt es wohl in eurer Nähe? Vielleicht habt ihr ja Lust bekommen, mal selbst etwas auszukundschaften – berichtet gerne in den Kommentaren davon.

Ich sende euch (Corona-konform) eine Umarmung über’s Internet – mehr Abstand geht nicht 😉 Bleibt gesund und bis bald!
Eure Katha