Tag Archive | Kultur

Abenteuer Arabisch – Ich kann lesen!

Hallo liebe Lebensmaler 🙂

Ich war bei zwei weiteren VHS-Arabischkursen und ich kann schon jetzt von erheblichen Fortschritten berichten! Heute bin ich die Bahnhofsallee hochgegangen, vorbei an einem Schaufenster mit arabischer Schrift, und konnte im Vorbeigehen (!) erkennen, dass eins der Worte  تين  war – Feigen auf Arabisch! Hab mich aber nicht getraut, unter den Blicken aller Angestellten ein Foto zu machen … Aber stolz wie Bolle war ich, nach nur 4x 2 Stunden schon lesen und übersetzen zu können! 🙂 🙂

Zurück aus dem Leben ins Klassenzimmer: zunächst ist unser Lehrbuch angekommen und mit ihm die CD, sodass ich zu Hause wiederholen kann, was ich im Kurs noch schwierig fand oder nicht richtig verstanden habe. Beides zusammen hat 30€ gekostet, was ich erst sehr teuer, nach Ansicht aber okay fand, denn “die CD” besteht aus 3 CDs und das Buch ist sehr ausführlich und kleinschrittig gehalten, sodass nichts unklar bleibt. Jede Lektion startet zunächst mit ein paar Seiten Buchstaben, sodass wir nach und nach das ganze Alphabet lernen. Auf jeder Seite sind dann 4 Wörter, sodass wir den jeweiligen Buchstaben im Wort sehen, denn (ihr erinnert euch vielleicht): es beeinflusst die Schreibweise des Buchstabens, ob er am Anfang, in der Mitte, am Ende oder isoliert steht. Ganz unten auf der Seite ist die Schreibweise dann noch einmal auf einen Blick zusammengefasst.

Danach kommen mehrere Seiten Übungen: Buchstaben erkennen in ihren verschiedenen Schreibweisen, Sprechübungen, Schreibübungen und Rechtschreibübungen, bei denen wir herausfinden müssen, ob die Buchstaben richtig oder falsch verbunden sind, und wenn falsch, wo und wie es richtig wäre. Ganz am Ende kommt eine Auflistung der Wörter, die wir mit allen bekannten Buchstaben bereits schreiben und erkennen können, sodass wir einen Wortschatz aufbauen können. Ein guter Mix also aus allem, was die arabische Sprache an Tücken so mit sich bringt

Zunächst aber wird am Anfang der Übungen noch einmal die Aussprache jedes einzelnen Buchstabens mit deutschen Wortbeispielen verdeutlicht und dann kommen Tipps zur Orthografie der Buchstaben. So habe ich verschiedene Dinge gelernt:
Die arabische Schrift ist eine Kursivschrift und das zu beschreibende Blatt sollte am besten um 45 Grad nach links gedreht werden, um sie “richtig” zu schreiben. Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen Druck- und Schreibschrift: in Druckschrift werden die zu einigen Buchstaben gehörenden Punkte gedruckt, also einzeln aufs Papier gesetzt, während sie in der Schreibschrift zu einem Strich verschmelzen. Weiterhin ist es so, dass von den 28 Buchstaben des Alphabets nur 3 Stück Vokale repräsentieren (statt wie bei uns 5 der 26) und es im Arabischen keine Großbuchstaben gibt (ein Glück!, ist ja auch so schon schwer genug). Die Buchstaben haben aber verschiedene Größen – ich erinnere mich immer an die Schreibhefte, die wir in der ersten Klasse hatten. Am Anfang der Zeile stand ein kleines Haus und die Linien waren eingeteilt in “Dach”, “Wohnzimmer” und “Keller”, sodass man sich als ABC-Schütze gut orientieren konnte. So ähnlich ist es auch im Arabischen: alif  ﺍ  zum Beispiel würde im Wohnzimmer und Dach geschrieben werden, wohingegen yā  ي  im Wohnzimmer und Keller geschrieben würde. Spannend, all dies! 

In den beiden letzten Stunden haben wir uns hauptsächlich mit der Aussprache und der Schreibweise der Buchstaben beschäftigt, und ich muss zugeben, dass es richtig Spaß gemacht hat. Mich hatte der Ehrgeiz gepackt und ich habe zu Hause daran gearbeitet, mir die Buchstaben und deren Schreibweise einzuprägen, sodass ich die Worte im Buch schon ohne deutsche Lautschrift daneben lesen konnte. Wir haben jedes Wort der 7 Buchstaben, die wir bereits kennen, in seine einzelnen Buchstaben-Bestandteile zerlegt und das hat enorm geholfen, die verschiedenen Schreibweisen zu begreifen und sie sich einzuprägen. Auch die Hausaufgaben haben dazu beigetragen, dass die Worte kein reiner Buchstabensalat mehr sind, sondern langsam, aber sicher als einzelne Worte zu erkennen sind.

Uuh, und am Ende der letzten Sitzung haben wir dann Galgenraten gespielt. Das war wirklich spannend, denn das Raten der Worte war gar nicht so einfach, wie wir uns das in unser Euphorie gedacht hatten. Jeder, der wollte, durfte sich ein Wort überlegen und nach vorne an die Tafel kommen. Unsere Lehrerin lachte herzlich, als wir alle unsere Striche von links nach rechts zogen, denn Arabisch wird ja von rechts nach links geschrieben, wie sie uns erinnerte 😉 Wir einigten uns ganz schnell darauf, die isolierte Form der Buchstaben zu schreiben, um das Raten etwas einfacher zu gestalten. Fast jeder von uns nahm das Buch mit und schaute nochmal nach, wie viele Buchstaben sein ausgewähltes Wort hatte und an welche Stelle sie gehörten. Dann ging es los, mit viel Spaß und gemeinsamem Lachen. Es war oft echt schwer, sich an die Aussprache der Worte zu erinnern, denn diese gibt ja Aufschluss darüber, wie das Wort geschrieben wird, aber es war eine richtig gute Übung und ich hoffe, dass wir das öfter spielen werden.

Um kurz vor 20h beendeten wir den Unterricht, Jenan bedankte sich bei uns allen für den tollen Unterricht und wünschte uns ein schönes Wochenende – zuerst auf Arabisch, dann auf Deutsch. Wir alle antworteten mit “Für dich auch” oder “Danke” auf Arabisch und dann huschten wir nach einander aus der Tür, um nach Hause zu laufen, fahren oder radeln.

Ich muss sagen, ich bin erstaunt, wie aufnahmefähig ich nach einem anstrengenden Arbeitstag noch bin. Generell schwirrt mir noch Stunden nach Feierabend der Kopf mit Gedanken an die Kinder, an Elterngespräche und Anweisungen von oben oder sonstiges an Zwischenmenschlichem, was sich in der Kita den lieben und vor allem langen Tag so abspielt. Aber meist ist es so, dass ich den Kopf frei habe, sobald ich mein Arbeitsmaterial ausgepackt und die Tafel vor Augen habe. Das Material ist nicht einfach, aber Jenan geht es verständlich und vor allem langsam durch und ermutigt uns stetig, Fragen zu stellen. Ich freue mich richtig auf die nächsten Wochen!

Vielleicht habt ihr ja auch Lust bekommen, Arabisch oder eine andere Sprache zu lernen? Lasst euch nicht abschrecken von den komischen Zeichen oder anderen “Vorurteilen” der Sprache gegenüber, es ist leichter, als es aussieht und spaßiger als gedacht!

Ich sende euch eine Umarmung und bleibt gesund!
Eure Katharina (كاترين)

Abenteuer Arabisch – Sprachkurs auf 12 Uhr!

Hallo liebe Lebensmaler!

Nach einer längeren Schreibpause melde ich mich zurück und hoffe, dass ihr alle gut durch diese verwirrende, unsichere Zeit gekommen seid und immer noch kommt. Mir hat Corona tatsächlich eine wohltuende Pause und Raum zum Durchatmen (trotz Makse) verschafft – natürlich hätten mir andere Umstände besser gefallen, aber die gibt es nun mal nicht und ich habe beschlossen, das Beste aus den Umständen zu machen, die wir haben.

Ich hatte mich bereits Anfang des Jahres dazu entschlossen, einen lange im Stillen gewachsenen Traum zu erfüllen – ich hatte mich bei der Volkshochschule (VHS) zu einem Arabisch-Anfänger-Kurs angemeldet, zum Einen aus persönlichem Interesse, zum Anderen aus beruflichem, aber selbst wenn ich nur den Grund gehabt hätte, die Sprache sprechen zu wollen – ich hätte mich angemeldet.

Der Start des Kurses wurde durch Corona vom 16.04. auf den 28.05. verschoben, sodass ich nun also vorletzten Donnerstag meinen ersten Kurs hatte. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe aus alt und jung, aus männlich und weiblich und unsere Gründe für das Lernenwollen des Arabischen sind höchst unterschiedlich: zwei Teilnehmer nehmen als Leitende an Austauschen teil und interessieren sich daher für die Sprache, eine Frau lehrt ehrenamtlich Deutsch und möchte einen Einblick bekommen, wie es ist, mit einer komplett fremden Sprache konfrontiert zu werden. Eine weitere Teilnehmerin interessiert sich für Religion und möchte den Koran (die heilige Schrift des Islam) gerne im Original lesen. Eine Erasmus-Studentin war in Jordanien und ist von der Kultur und den Menschen so begeistert worden, dass sie nun deren Sprache lernen möchte, eine andere Studentin probiert gerne verschiedene Sprachen aus und ein weiterer Student muss durch die Uni einen Sprachkurs machen und hat sich für Arabisch entschieden. Ein türkisch-deutscher Schüler kann den Koran zwar fließend lesen, aber nicht verstehen, was er durch den Kurs ändern möchte, und ein älterer Herr sitzt im Kurs, weil er die Schrift “so schön” findet. An diesem Punkt musste ich schmunzeln, weil es mich an eine Stelle aus “Eat Pray Love” erinnerte, als die Protagonistin Liz von ihrem Level One-Italienisch-Kurs berichtet:

eat__pray__love-9780747585664_xxl

“The interesting thing about my Italian class is that nobody really needs to be here. There are twelve of us studying together, of all ages, from all over the world, and everybody has come to Rome for the same reason – to study Italian just because they feel like it. […] Everybody, even the uptight German engineer, shares what I thought was my own personal motive: we all want to speak Italian because we love the way it makes us feel. A sad-faced Russian woman tells us she’s treating herself to Italian lessons because “I think I deserve something beautiful”.”

– Elizabeth Gilbert, Eat Pray Love

Und so sitzen wir nun also, ein jeder mit seinen persönlichen Gründen, jeden Donnerstag von 18 bis 20 Uhr im Raum 219 der VHS und röcheln vor uns hin bei dem Versuch, Buchstaben und Worte auszusprechen, die unsere Kehle einfach nicht zu produzieren gelernt hat. Unsere Lehrerin heißt Jenan, ist klein, lächelt viel und hat sehr viel Vertrauen in uns – wenn wir verzweifeln, muntert sie uns auf: “Es wird einfacher. In der dritten oder vierten Stunde versteht ihr das alles!”

IMG_20200605_194904Unser bestelltes Lehrbuch ist leider noch nicht angekommen, sodass wir noch mit Kopien daraus arbeiten. Auf den ersten Seiten war zum Glück noch alles mit lateinischen Buchstaben geschrieben, sodass wir zunächst an der Aussprache arbeiteten. In der ersten Stunde haben wir vor allem Begrüßungs- und Verabschiedungssätze gelernt, wie man jemanden nach seinem Namen fragt und den eigenen nennt.
Im Arabischen ist es, ähnlich wie im Französischen und Spanischen, so, dass die Endungen dem Geschlecht des Gesprächspartners angepasst werden müssen. Zum Beispiel fragt man eine Frau so nach ihrem Namen:

Mā smuki?  ♀

Einen Mann hingegen so:

Mā smuka? 

Das ist tatsächlich auch bei einigen Personalpronomen so (Wa anti? ♀  / Wa anta? = und du?) und auch die Endungen bei Adjektiven werden angepasst. Was allerdings im Arabischen anders ist, ist die Schreibrichtung: von rechts nach links! Das ist zunächst ungewohnt, aber auch das hat man schnell raus.

So weit, so gut. Als wir uns alle erfolgreich begrüßt, unterhalten und wieder verabschiedet hatten, bekamen wir ein Blatt mit dem arabischen Alphabet ausgehändigt und ein weiteres mit der Abbildung des menschlichen Sprachapparates. Dies zeigt, wo die verschiedenen Buchstaben/Laute gebildet werden. Feine Sache, nur bei der Umsetzung hapert es etwas. Ich versuchte, mir die Aussprache der Buchstaben mit lateinischen Buchstaben daneben zu notieren, um besser üben zu können, aber manchmal war es unmöglich.

Nachdem wir ein weiteres Arbeitsblatt mit kurzen Dialogen bearbeitet hatten, kam der schönste Teil der Stunde: das “Malen” der Buchstaben. Ich weiß, dass man Buchstaben schreibt, aber sie sehen so verschlungen und kunstvoll aus, dass ich mich oft dabei ertappe, sie eher zu “malen”. Nacheinander gingen wir nach vorne zur Tafel und schwungen die Kreide, wie fleißige ABC-Schützen es eben tun 😉 Natürlich: von rechts nach links!

Ich muss zugeben, dass ich in der ersten Stunde zwischendurch an meinem Platz saß; still, leise und überfordert. Ich dachte vorher, das könne ja alles gar nicht so schlimm werden, aber es wirkte genau so schlimm, wenn nicht sogar schlimmer! Ich zweifelte an mir selbst und bat meine Lehrerin, dort “einfach nur so sitzen und zuhören” zu dürfen, als sie mich aufforderte, ihr nachzusprechen. Glücklicherweise rief sie einfach meine Sitznachbarin auf und ich hatte Zeit, mich zu berappeln. Am Ende der Stunde, als Jenan uns fragte, wie unser Eindruck sei, wie wir die Stunden fanden und was wir gelernt hätten, konnte ich schon wieder entspannt am Gespräch teilnehmen.

IMG-20200604-WA0004

Ich übte in der Woche weniger, dafür aber am Abend vor dem zweiten Kurs umso mehr. Mein “oben drüber”-Nachbar Yacoub kommt aus dem Sudan und spricht Arabisch. Er ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hat hier Deutsch gelernt und während meines Aufenthaltes in Kolumbien in meiner Wohnung gewohnt. Daraus entstand eine lockere Freundschaft und ich freute mich sehr, dass er einfach ein Stockwerk höher ziehen konnte, als ich wiederkam 🙂 Dorthin zog es mich also nun mit meinen Arbeitsblättern: ich klopfte bei ihm an und bat ihn, mir mit der Aussprache der Zeichen zu helfen. Das tat er auch – mit viel Schmunzeln und Lachen, aber auch Geduld und sichtlicher Freude, dass ich seine Muttersprache lernen wollte. Wieder und wieder sagte er mir die Laute vor, während ich mir die Aussprache zu notieren versuchte, und am Ende unserer Privatstunde sprach er mir alles sogar noch als Sprachnachricht auf, sodass ich weiterhin üben kann, ohne ihn dabeihaben zu müssen.

Außerdem übte ich das Schreiben / Malen einiger Buchstaben fleißig, sodass ich eine grobe Idee hatte, wie sie Buchstaben hießen, ausgesprochen und gezeichnet wurden, als ich am 04.06. zur zweiten Stunde das Klassenzimmer betrat.

Jenan begrüßte uns auf Arabisch und forderte dann meinen Mitschüler Yasin auf, mich auf Arabisch zu begrüßen mit dem, was wir in der letzten Stunde gelernt hatten. Dass ich seine Fragen nicht nur verstand, sondern auch darauf antworten konnte, machte mich richtig froh. Diese kleine Konversation machte die Runde, und danach übten wir mit einem neuen Zettel Begrüßungs- und Verabschiedungsfloskeln für verschiedene Tageszeiten. Danach ging es weiter mit Kopien aus dem Lehrbuch, das leider immer noch nicht geliefert worden war. Wir beschäftigten uns mit einigen Buchstaben des Alphabetes und deren Schreibweise(n).

Das arabische Alphabet hat 28 Buchstaben/Zeichen sowie mehrere Hilfezeichen, die die Bedeutung eines Wortes erheblich verändern können. Wir begannen mit dem ersten Buchstaben “Alif” (“älif”) – ﺍ . Es kommt in Worten wie Hase, Feuer, Spazierstock oder Waage vor – jeweils an unterschiedlicher Position im Wort.

Diese Position ist wichtig, denn alle Zeichen des arabischen Alphabetes werden unterschiedlich geschrieben, gemäß ihrer Position im Wort: am Anfang, in der Mitte, am Ende ODER isoliert. Bei dem arabischen Wort für Hase (“arnäb”) steht es am Anfang (nicht vergessen, wir lesen von rechts nach links):

أرنب

Beim Wort Feuer (“naar”) steht es in der Mitte und bei “Spazierstock” steht es am Ende. Das ist bei allen 28 Zeichen so und daher müssen für jedes 4 verschiedene Schreibweisen gelernt werden! Außerdem gibt es noch eine weitere Besonderheit für insgesamt 6 der 28 Buchstaben: Alif  ﺍ  , Dāl  ﺩ  , Dhāl  ﺫ  , Rā’  ﺭ  , Zain ﺯ   und Wāw ﻭ  können nur von rechts, nicht aber von links mit anderen Buchstaben verbunden werden.

Das klingt alles extrem kompliziert und verworren, aber zum Glück ging Jenan ganz langsam und geduldig alles mit uns durch. Sie ließ erst eine CD laufen mit der Aussprache der einzelnen Worte, wiederholte dann selbst mehrfach die Aussprache und danach durfte jeder einzelne die Worte aussprechen – entweder aus dem Gedächtnis oder Jenan sagte sie vor. Dann übten wir das Schreiben der einzelnen Worte, bis wir es alle verstanden hatten, und erst dann nahmen wir uns den nächsten Buchstaben vor. Mit diesen Übungen bekamen wir den Großteil der 120 Minuten herum.

Als kleine Extra-Hausaufgabe hatten wir beim ersten Mal aufbekommen, zu versuchen, unseren Namen zu schreiben. Diesen kleinen Arbeitsauftrag nahmen wir während und kurz nach der Pause (nach ca. 60 Minuten) unter die Lupe und hatten viel Spaß damit. Ich hatte mich dieser Aufgabe angenommen, als ich bei Yacoub saß, mir die Buchstaben, die ich meinte, zu brauchen, zusammengesammelt und sie stolz aneinander gereiht. Dies ist das Ergebnis (gelesen von rechts nach links):

ﻙﺕﺭيﻥﺍ

Yacoub lächelte nur milde und schrieb meinen Namen so, wie es arabisch-sprechende Menschen tun würden (und wie es dementsprechend richtig ist):

كاترين

Kaum ein Unterschied zu sehen, oder? 😉 Als ich also in meiner zweiten Stunde saß und lernte, dass es einen Unterschied macht, wo im Wort der Buchstabe verwendet wird und dass Hilfezeichen manchmal Buchstaben ersetzen oder deren Aussprache verändern können und dass man im Arabischen so schreibt, wie man hört, ergab Yacoubs Version meines Namens auch einen Sinn. Und ich verstand plötzlich, wieso ein Bekannter aus Algerien mich immer “Kathrin” nannte und nicht “Katharina”: mein zweites, mittiges “A” ist eins, das nicht deutlich ausgesprochen wird und dementsprechend durch ein Hilfezeichen nur angedeutet wird. Spannend, spannend!

btf

Aber nicht nur ich hatte mir Buchstaben zusammengesucht, auch die anderen hatten sich daran gemacht, ihre Namen auf Arabisch zu schreiben, sodass wir am Ende alle die (korrekte) arabische Fassung unserer Namen auf unsere Namensschilder schreiben konnten.

In der zweiten Stunde gab es auch schon mehr Gespräche untereinander, Fragen, Kommentare oder Komplimente, den Austausch verzweifelter Blicke oder das Teilen eines verwirrten Lachens. Es ist ein gutes Gefühl, wieder Teil einer neuen Gruppe zu sein, die gemeinsam an einer Aufgabe arbeitet – und ich freue mich schon auf den nächsten Donnerstagabend! Ich bin gespannt darauf, was ich noch alles in Erfahrung bringen werde, denn oft gibt Sprache und deren Struktur/Grammatik einen interessanten Einblick in die Gebräuche und Werte einer Gesellschaft und/oder Kultur.

Ich bleibe auf jeden Fall neugierig und halte euch auf dem Laufenden! Außerdem freue ich mich natürlich über Kommentare, Fragen oder Erfahrungsberichte von euch! Welche Sprache habt ihr gelernt und warum, wie ist es euch ergangen und was fandet ihr am einfachsten/schwersten? Seid ihr drangeblieben oder habt ihr aufgehört?

Ich sende euch ganz viel Gesundheit und eine virtuelle Umarmung,

eure Katharina (كاترين)

Mi Colombia – Villa de Leyva

Hallo liebe Lebensmaler!

Nachdem ich euch im letzten Post mit ins Casa Terracota genommen habe, möchte ich euch jetzt ein bißchen mehr vom eigentlichen Ort Villa de Leyva zeigen.

Villa de Leyva wurde 1572 gegründet und nach dem damaligen Präsident des spanischen Zentralgerichts von Neugranada benannt: Andrés Díaz Venero de Leiva. Auch hier (wie in vielen anderen Städten) bekommt man einen guten Eindruck der Architektur der Kolonialzeit, kann man über Kopfsteinpflaster spazieren und die getünchten weißen Wände der Häuser mit ihren bunten Fensterläden, Türen oder der herabhängenden Blumenpracht bewundern. Mein Rough Guide erzählt mir, dass es am Plaza Mayor sogar noch handbemalte Fliesen gibt, die das Reiten und Autofahren rund um den Plaza Mayor verbieten – die habe ich leider nicht gesehen. Aber von der teilweise zeitentrückten Atmosphäre habe ich mich verzaubern lassen: Kopfsteinstraßen, weiße Häuser, die einen in der Sonne blenden, wundervoll duftende Blüten, die wie Wasserfälle von den Dächern stürzen und Hunde und Katzen, die faul in der Hitze liegen … ich konnte selber auch entschleunigen und mich entspannt (wenn auch leicht erhitzt) dem Touristen-Dasein überlassen. Und wo wir gerade davon sprechen …

VillaKarte

Nach meinem Besuch im Casa Terracota trottete ich die Straße entlang zurück Richtung Hauptstraße, die mich irgendwie wieder ins Ortsinnere bringen sollte und schwitze erbarmungslos vor mich hin, während meine Haut eine dezente Hummerfarbe annahm.  Ich versuchte, ein paar an mir vorbeifahrende Auto- und sogar Motorradfahrer zu erbarmen, mich mit in die Stadt zu nehmen, aber niemand fuhr dorthin, wo ich hinmusste. Ich gab aber nicht auf. Als ich schließlich an der Hauptstraße stand, kam ein großes Auto herangefahren und ich winkte erneut freundlich. Der Fahrer hielt an und beugte sich vor, nickte auf meine Bitte hin und ließ mich einsteigen. Er fragte mich, ob ich alleineVilla_Autor2 unterwegs sei, und als ich bejahte, hob er an zur gleichen Rede wie alle Kolumbianer: ich müsse vorsichtig sein, so alleine, als Frau, nicht alle Kolumbianer seien freundlich … Ich erzählte von meinen Erfahrungen und berichtete von dem Sonnencreme- und “Milchhaut”- Dilemma. Er bestand darauf, mir Sonnencreme zu kaufen, was er später auch durchaus tat, aber erstmal erzählte er von sich. Er hieß Germán Florez, war in einer Stadt nordöstlich von Villa de Leyva geboren, zugezogen und von Beruf Autor. Er war wirklich sehr nett und fragte, ob er mich zu einem Kaffee einladen könne, er träfe sich gleich mit einem Freund. Ich sagte, ich wolle nicht seine Verabredung sprengen, woraufhin er jedoch insistierte. Ich akzeptierte also  und wir steuerten ein Café rechts der Iglesia de Nuestra Señora del Rosario an, wo wir seinen Freund trafen. Wir erzählten eine Weile und schließlich wollte Germán mir eins seiner Bücher schenken – er versah es sogar mit einer Widmung! Ich freute mich wirklich, denn wer hat schon solches Glück? Ich wollte ja nur mitgenommen werden, bekam aber obendrauf noch ein Getränk spendiert, Sonnencreme und ein handsigniertes Buch dazu, ganz zu schweigen davon, dass ich eine interessante Person kennenlernen durfte! Das ist einer der Gründe, warum ich immer so reisen würde, wie ich es eben tue: ich möchte Land und Leute kennenlernen und nicht nur “da gewesen” sein.

Nach unserem Kaffee verabschiedete sich Germán von mir (nicht ohne mich, meine Familie und Angie zu sich einzuladen, sollten wir je erneut nach Villa de Leyva kommen) und jeder von uns ging seiner Wege. Ich ging zuerst ins Hostel zurück, um ein bißchen zu essen, meinen Gastgebern von meinen Erlebnissen zu erzählen und die Sonnencreme auf meiner Haut zu verteilen. Danach machte ich mich auf, ein paar der von meinem Reiseführer angepriesenen Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Ich ging durch kopfsteingepflasterte Gassen, die von weißen Häusern gesäumt wurden, die wiederum Kronen von wild wuchernden Blumen trugen. Mein erster Stop war die an das Monasterío de las Carmelitas angrenzende Kirche sowie das Museo del Carmen. Diesmal kam ich durch die hintere Gasse, den Weg, den ich am Abend vorher nach Hause gegangen war. Im Hellen strahlte alles nochmal ganz anders, denn die Sonne machte das Weiß der Wände noch weißer und die Farben drumherum wirkten dadurch noch gesättigter.

Über die angeschlossene Kirche konnte ich keine Informationen finden, aber dafür über das Kloster. Das Monasterío de las Carmelitas wurde am 8. April 1645 gegründet und ist heute noch das gleiche Gebäude wie bei der Gründung vor über 350 Jahren. Die Ordensschwestern verdienen ihr tägliches Brot mit der Herstellung von Skapulieren (Überwurf über die Tunika einer Ordenstracht), dem Design und der Herstellung von Ornamenten sowie verschiedenem Kunsthandwerk. Die in etwa 30 Frauen bauen ihr eigenes Gemüse im Klostergarten an und das Kloster darf nicht bzw. nur wenn absolut nötig von Fremden betreten werden. Das Mueseo del Carmen, das ebenso wie die Kirche und das Kloster am Plazuela del Carmen zu finden ist, habe ich mir nicht angeschaut, denn so sehr interessieren mich verschiedene religiöse Gemälde, hölzerne Ikonen und Altarteile aus dem 16. Jahrhundert nicht, dass ich das nicht geringe Eintrittsgeld bezahlt hätte.

Ich wandte mich nach Südwesten (glaube ich), und schlenderte durch die schönen Straßen Villa de Leyvas. Ich versuchte noch immer, im Schatten zu spazieren, sofern es möglich war, aber um ehrlich zu sein, hatte ich mich schon irgendwie damit abgefunden, dass meine Haut diese Etappe nicht unbeschadet überstehen würde. Mein nächster planmäßiger Stop war der Parque Ricautre und das Haus desselbigen.

Antonio Ricautre kämpfte im Unabhängigkeitskrieg unter Bolívar. 1814 hatten die Royalisten die Kontrolle über das zentrale Munitionslager der bolivarianischen Armee errungen und Ricautre erkannte, dass die Freiheitskämpfer durch den Verlust ihrer Munitionsreserven den Kampf verlieren würden. Der nur 28-jährige Kämpfer schloss sich daraufhin im Lager ein, zündete ein Fass mit Pulver und jagte somit nicht nur das Lager und sich selbst, sondern auch die gegnerischen Truppen in die Luft. Das Haus in Villa de Leyva, in dem der Nationalheld geboren wurde, beherbergt heute ein Museum, das verschiedene persönliche Dinge und Dokumente Ricautres sowie Militärsobjekte zeigt. Der wunderschöne, grüne Innenhof interessierte mich mehr als die Ausstellungsobjekte, und der Eintritt sollte sogar kostenlos sein, aber leider war ich zu früh da (siesta von 12-14 Uhr). Der vigilante ließ mich nur sehr widerwillig einen kurzen Blick in den Innenhof werfen, als ich ihm erklärte, ich könne nicht warten, bis die siesta vorbei sei. Das Wenige, was ich gesehen habe, fand ich wirklich sehr schön – wie eine Oase wirkte der kleine Garten.

Gerne hätte ich mich dort niedergelassen und ein bißchen aufgetankt, aber mein Zeitplan war etwas straff. Ich machte mich auf, um den Plaza del Mercado, also den Marktplatz, zu sehen – leider wirkte er an einem Nicht-Markttag eher trist und verlassen. Schade, ich hatte gehofft, ihm auch etwas abgewinnen zu können, wenn gerade nichts los war. Zurück durch die sonnendurchfluteten Gassen ließ ich mich treiben, vorbei an kleinen tiendas, vor denen Hunde im Schatten dösten, vorbei am Parque Nariño, hin zum Plaza Mayor. Dort sah ich, dass die Türen der Iglesia de Nuestra Señora del Rosario offen standen, was mich verwunderte, denn in meinem Reiseführer stand, dass diese nur für die Gottesdienste geöffnet seien. Ich nutzte also diese Chance und schlüpfte ins kühle Dunkel der Kirche und ließ meinen Blick über die Holzbänke hin zum goldenen Altarraum schweifen. Die Kirche wurde im 17. Jahrhundert erbaut, fiel 1845 einem Erdbeben zum Opfer, nach dem sie wieder aufgebaut wurde – heute befinden sich immer noch viele der originalen Darstellungen in ihr. Mich beeindruckte besonders der goldene Altar bzw. Altarraum und mir gefiel der Gegensatz von Prunk und Schlichtheit – das leuchtende Gold stand in starkem Kontrast zu den weißen Wänden und den dunklen Holzbänken.

Als ich mich genug umgeschaut hatte, trat ich wieder hinaus auf den Plaza Mayor. Der, wie bereits geschrieben, größte Platz Kolumbiens ist umgeben von Gebäuden im Kolonial-Stil, manche mit Verandas und kleinen Säulengängen, wobei oft die Räumlichkeiten bereits saniert, modernisiert oder rekonstruiert worden sind. Der Brunnen in der Mitte des Platzes war die einzige Wasserquelle der Dorfbewohner bis ins 20. Jahrhundert! Eins der Häuser auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche ist das Casa Museo Luis Alberto Acuña, in dem der Avant Garde-Künstler gleichen Namens von 1979 bis 1994 lebte. Er selbst richtete das Museum ein, bevor er 1994 verstarb, und es sind nicht nur seine Skulpturen und andere seiner Werke, sondern auch seine Antiquitätensammlung zu sehen. Ich selbst war nicht so interessiert daran, ließ diese Sehenswürdigkeit kurzerhand ausfallen und machte mich auf den Weg zurück ins Hostel.

Dort waren Janeth und Ciro so lieb, mich noch mit etwas zu trinken zu bewirten, wir machten unsere Witze und schließlich noch ein Abschiedsfoto, weil ich ja “meinen Freunden und meiner Familie zeigen möchte, welche tollen Menschen ich auf meiner Reise getroffen habe”. Auf dem ersten Foto, das wir machten, lächelte Ciro allerdings nicht, was ich auch kommentierte. Darauf meinte er: “Pues, casi sonrío!” (“Ich lächele doch fast!”), was Janeth keck kommentierte mit: “PUES, casi no sirve! Cierto, Katha? Casi nunca sirve!” (“ALSO, fast tut’s aber nicht! Oder, Katha? Fast tut es nie!”) Auf dem zweiten Foto fiel es ihm dann gar nicht mehr schwer, zu lächeln … ich glaube, er amüsierte sich prächtig darüber, dass Janeth und ich uns so gut verstanden. Immer wieder gab es Anspielungen darauf, dass Janeth deutsche Vorfahren habe und dass wir jetzt “Deutsche unter sich” seien … und wir erklärten unser Verhalten meist mit: “Las Alemanas son así!” – “Die deutschen Frauen sind halt so!” Wir hatten viel Spaß 🙂 Das Beste war, dass die beiden später im Jahr nach Deutschland reisen wollten und wir uns vielleicht wiedersehen würden! Darauf freute ich mich schon in dem Moment, in dem ich mich zur Abreise fertig machte. Ich packte meine sieben Sachen zusammen, wir umarmten uns fest und ich machte mich dann auf den Weg zum Busdepot, um einen Bus nach Ráquira zu nehmen, DEM Kunsthandwerkerstädtchen überhaupt. Bei meinem letzten Blick auf den Plaza Mayor hatte sich der Himmel extrem verdunkelt und enorme Regenwolken schoben sich auf das Städtchen zu – trotzdem gefiel mir der Anblick sehr gut.

Leider dauerte es noch eine Stunde, bis der nächste Bus fuhr, sodass ich mich bei den Menschen im Depot erkundigte, wo ich etwas zu Mittag essen könne. Sie wiesen auf ein unscheinbares Restaurant gegenüber, wo ich ein kleines Mittagessen bestellte – aber natürlich bekam ich eine Suppe als Vorspeise und “kleine Portionen” gibt es ja generell nicht in Kolumbien. Zum Glück hatte ich Hilfe: ein Straßenhund lief hungrig zwischen den Tischen hin und her, sodass ich ihn erst mit etwas Kuchen fütterte, den ich noch hatte, und schließlich dessen leere Plastikschale mit der Vorspeisensuppe füllte. Ich hätte eh nicht alles essen können. Den Fisch, den ich ihm von meinem Hauptgang abgab, verschmähte er, sodass ich in der Küche zwei Würstchen für ihn bestellte. Diese kosteten mich später zusätzliche 6.000 COP (2€), aber so einem Schmelzblick, wie ihn der Hund aufsetzte, kann ich einfach nicht widerstehen.

Nachdem ich aufgegessen hatte, versuchte er sein Glück bei anderen Mittagsgästen, und ich lief zurück zum Busdepot und zum Bus, wo ich meinen zuvor mit einer Jacke gesicherten Platz verteidigen musste (wie die Handtücher auf Badeliegen im Hotel – bin wohl doch viel mehr Deutsche, als ich dachte, fällt mir gerade in Retrospektive auf). Kurz nachdem ich mich setzte, fuhr der Bus auch los … Richtung Ráquira, einem kleinen Kunsthandwerkerstädtchen. Es rumpelte und ruckelte …

FahrtVillaRaquira

Die Landschaft, die wir passierten.

… und wie es weitergeht, berichte ich im nächsten Post!
Bis dahin, un fuerte abrazo!

Katha

 

Mi Colombia – Bogotá

Nachdem ich in Townsville ins Flugzeug stieg, war ich mal wieder ein Weilchen unterwegs … Es ging von Townsville nach Brisbane, von dort über LA nach Atlanta und von dort nach Bogotá. Wie lange ich insgesamt gebraucht habe, weiß ich mittlerweile gar nicht mehr, aber das ist vielleicht auch besser so. Auf dem Flug habe ich jemanden getroffen, die die gleichen Steißprobleme hatte wie ich – sie hat mich ganz verzweifelt gefragt, woher ich denn meinen tollen Sitzring habe … So toll fand ich den gar nicht, denn ich sitze ja nun schon eine Weile (seit April 2016) darauf – außerdem wurde er langsam porös, was mich unruhig machte. Wie auch immer, die Zwischenstopps in den Staaten waren relativ ereignislos, außer der Tatsache, dass ich mich richtig, richtig abhetzen musste, um meine Flüge zu schaffen. Ich rannte von einem Terminal ins andere, zappelte nervös in den Warteschlangen, ließ mich vorlassen und durch Sicherheitsbeamte einschleusen in die Kontrollen, damit ich alles schaffte. Das war vielleicht nervenaufreibend! Darum existieren auch keinerlei Fotos, dazu hatte ich überhaupt keine Zeit. In LA habe ich eins gemacht, bevor mir klar war, wie eng das zeitlich alles war.

LA

Ich kam am 02.06. mitten in der Nacht in Bogotá an, es dauerte etwas, bis ich endlich durch die migraciones durch war und auf meinen Koffer warten konnte. Außerdem musste ich noch mein Geld umtauschen – die Dame in Australien hatte mir gesagt, am Flughafen bekäme ich die besten Konditionen. Ich hatte Glück, auf der Treppe nach unten von den migraciones zum Gepäckband sprach mich jemand an, auf Englisch sogar!, den ich sogleich um Hilfe bat. Er half mir gerne und kam mit mir zum Schalter des Wechselbüros. Hier zeigte sich, dass es wirklich ein Glück war, dass ich in Australien keine Pesos bekommen hatte, sondern meine AUS$ zu Mitarbeiterkonditionen in US$ umgetauscht wurden. Dadurch habe ich natürlich viel mehr US$ für meine AUS$ bekommen als sonst, und in Bogotá sah ich, dass der Wechselkurs viel besser stand für US$ zu Pesos. Ich bekam fast 1 Million Pesos mehr als gedacht! Die Frau schien gelangweilt auf den Summen herumzukaufen, bis sie sie mir mit einer Geschwindigkeit entgegenspuckte, die mir die Ohren verklebte. Ich bat sie, mir die Zahlen aufzuschreiben – dann verstand ich. Dieser ganze Vorgang dauerte ein Weilchen und bis ich meine Scheine in der Hand hielt, meinen Koffer und schließlich Mayra gefunden hatte, war es bereits 23 Uhr.

Mein Spanisch war etwas eingerostet und Mayra konnte kein Englisch, aber wir verständigten uns ganz gut. Einfach reden, irgendwie wird es schon ankommen – das ist das, was ich im kommenden Monat lernen und vor allem lieben lernen würde. Wir fuhren in den Stadtteil barrio Florencia, wo Mayra in einem riesigen conjunto wohnt. Conjunto lässt sich mit “Einheit” übersetzen – auf das Wohnen bezogen bedeutet das, dass mehrere Häuser, in diesem Fall vier- oder fünfstöckige Häuserblocks, in einem eingezäunten Areal stehen, das nur zu betreten ist durch eine Pforte, die streng von Pförtnern bewacht wird. Dort muss man sich anmelden, sagen, zu wem man möchte, das wird abgefragt bei demjenigen und erst dann darf man durchgehen.

Wir fuhren in die Tiefgarage, hievten meinen Koffer die Treppen hoch und schleiften ihn über die Wege, bis wir in ihrer Wohnung ankamen. Ich lernte Hector kennen, Mayra’s Exfreund, der auf ihre gemeinsame Tochter Rosabel aufgepasst hatte, mir wurde etwas zu essen gegeben und mein Zimmer gezeigt. Wir sprachen kurz ab, für welche Zeit ich mir am nächsten Tag den Wecker stellen würde und ich fiel (mit Leggings, wärmespeichernden Socken und zwei Pullovern bekleidet) ins Bett. Die Nächte in Bogotá sind kalt.

bogota1

Mein Zimmer in Mayra’s Wohnung

Der 03.06. war ein Samstag, trotzdem wurde nicht etwa geruht – gibt’s nicht, schon gar nicht in Bogotá. Kurz nach 7 Uhr wurde ich wach durch den Wecker, und kurze Zeit später schaute Mayra herein. Ich zog mich an, bekam Frühstück und wir fuhren durch das Straßengewirr Bogotás, um Freunde von Mayra zu treffen, die etwas für sie und ihr frisch erworbenes Restaurant gekauft hatten. Danach fuhren wir zu einem Notar, mit dem sie und ihre Freunde die Urkunden beglaubigen lassen mussten. Wir mussten ein Weilchen warten, bis alle einen Parkplatz gefunden hatten, sodass noch Zeit blieb, uns über interessante Orte in und um Bogotá zu unterhalten, über das Reisen und Fremdsprachen. Meine schlummernden Spanischkenntnisse zwinkerten träge mit den Augen – trotzdem gelang mir die Konversation ganz gut. Während des Wartens beim Notar lernte ich Rosabel besser kennen – Mayras und Hectors Tochter. Ich mochte sie sehr gerne, sie hatte viele Fragen, war sehr aufgeschlossen, half mir mit meinem Spanisch, war sehr verständnisvoll und äußerst wissbegierig – ich brachte ihr viel auf Deutsch und Englisch bei. Wir lachten viel und ich fühlte mich sehr wohl 🙂

Wir fuhren viel herum, machten verschiedene Besorgungen und aßen schließlich in Mayra’s Restaurant zu Mittag. Ich passte auf Rosabel auf, während Mayra einige organisatorische Dinge erledigte. Später fuhren wir in den Bezirk Bogotás, der unzählige Optiker beherbergte. Das müsst ihr euch so vorstellen: in einem kompletten Block, vielleicht sogar in zweien, reihen sich Optiker an Optiker an Optiker an Optiker. Wir betraten einen Laden und ich zeigte mein zerbrochenes Gestell vor: “Necesito una nueva montura, por favor!” “Ich brauche ein neues Gestell, bitte!” Ich wurde verstanden, umsorgt und beraten. Wir suchten in den zahlreichen Schubladen nach einem für meine Gläser passenden Gestell, und als wir nichts fanden, verschwand die Optikerin einfach nach draußen und durchforstete die anderen Läden. Wie praktisch! Nach einer langen Weile kam sie schließlich triumphierend zurück 🙂 Meine Gläser wurden in das Gestellt eingesetzt, die Brille angepasst, ich durfte mir sogar noch kostenlos ein Etui aussuchen und bekam Lutscher, Brillenputztücher und -flüssigkeit in einer schnieken Tasche überreicht. Für all dies zahlte ich 60.000COP – umgerechnet ca. 20€, nachdem Mayra noch 10.000COP runtergehandelt hatte. Ich war so froh!

Mayra fuhr mich noch durch die Innenstadt zum Plaza de Bolívar, dem Hauptplatz der Stadt, auf dem die Reporter stehen, wenn in den Medien aus Bogotá berichtet wird. Rosabel und ich gingen Hand in Hand über den Platz, um die Catedral Primera de Colombia anzusehen – leider fand eine Hochzeit statt, sodass wir nur hineinlugten, ich ein paar Fotos machte y ya – und das war’s! Wr versuchten noch, eine SIM-Karte für mich zu finden, aber an diesem Tag schafften wir das nicht mehr. Wir kamen spät an zu Hause und ich fiel totmüde ins Bett.

Am nächsten Morgen begrüßte mich Hector, der sich heute um mich kümmern würde. Zusammen mit ihm und Rosabel gingen wir erstmal frühstücken – auf meinen Wunsch nach buñuelos und Früchten wurde eingegangen und wir verbrachten eine lustige Frühstücksrunde. Danach begaben wir uns zum Einkaufszentrum Portal 80, um mir eine SIM-Karte zu besorgen und aufzuladen. Wir erzählten und lachten viel, alles auf Spanisch, und er war mir sehr sympatisch. Im Einkaufszentrum standen wir dann am Tresen von movistar und ließen uns beraten. Ich entschied mich für einen Tarif und die beiden kichernden Beraterinnen übergossen mich mit einem Schwall an Worten – ich bat sie mehrmals, langsamer zu sprechen und erklärte, ich würde erst Spanisch lernen. Half nichts – also begann ich, ihnen auf Deutsch zu erklären, wie schwer es mir fiele, sie zu verstehen, und dass ich es unmöglich fände, dass sie nicht langsamer sprächen. Sie starrten mich sprachlos an. Ich wechselte zurück ins Spanische und erklärte, ich würde sie genauso wenig verstehen wie sie mich, wenn sie nicht langsamer sprächen. Danach hatten wir keinerlei Kommunikationsprobleme mehr.
Draußen schauten Hector, Rosabel und ich uns noch eine Fotoausstellung an, die mir sehr gut gefiel, und danach begaben wir uns zurück in die Wohnung, wo ich meine Sachen aus- und umpackte, weil ich nicht alles mitnehmen wollte, was ich besaß. Viel Platz nahmen die Geschenke ein, die ich für die Couchsurfer gekauft hatte, die mich auf meiner Reise beherbergen würden. Alles in allem passte aber alles ziemlich gut in den Koffer.

Wir bestellten uns Chinesisch zum Abendessen, was mir sehr gut schmeckte und mich sättigte, danach half Hector mir noch, die einzelnen Funktionen meiner SIM-Karte zu verstehen, die Fluggesellschaft anzurufen, um meine LifeMile-Card zu aktivieren, und wir organisierten ein Taxi, das mich am nächsten Morgen zum Flughafen bringen sollte. Für jedes Departamento gibt es eine bestimmte Vorwahl, so wie bei uns auch “050 xxxx” oder “0511 xxxx” oder “096 xxx”. Zum Beispiel für das Hostel in Manizales war die Vorwahl mit T6 = 06 angegeben, und in Bogotá hatten wir die Vorwahl T1 = 01. Was die Reservierung des Taxis anging, erledigte Hector alles für mich, erklärte mir dann aber genau und einfach das Prozedere. Das Unternehmen würde mich ca. 30 Minuten vor der ausgemachten Zeit anrufen und die Fahrt bestätigen, außerdem bekäme ich eine sms mit dem Nummernschild des Taxis. Klang einfach genug. 🙂 Von Hector verabschiedete ich mich abends, von Mayra und Rosabel am nächsten Tag, dem 05.07.
Ich lief mit meinem Koffer zur Pforte und stieg ins Taxi. Wir fuhren los und der Fahrer wollte die Bestätigungsziffern für die Fahrt wissen … Ich schaute ihn groß an. “Perdón, qué quiere saber usted?” – “Entschuldigen Sie, was wollen Sie wissen?”  Ich hätte einen Code bekommen sollen an meine Handynummer – hatte ich aber nicht. Zum Glück bestand dieser Code aus den letzten drei Ziffern der Handynummer, mit der das Unternehmen angerufen wurde, und ebenfalls zum Glück hatten Hector und ich Nummern ausgetauscht, sodass ich dem conductor die richtigen Ziffern nennen konnte. Er fuhr mich zum internationalen Flughafen, vorbei am nationalen – wohin später doch wieder mit dem Transferbus fahren musste. Hauptsache ich war da und es konnte losgehen! Manizales, ich komme! 🙂

Über den Flug und meine Erlebnisse in Manizales erfahrt ihr im nächsten Post alles 🙂 Schön, dass ihr dabei seid!

Un abrazo fuerte 🙂

Straya Mate – ANZAC Day

Rückblick auf den 24./25. April: Emily und ich fuhren in ihrem Auto in die Stadt, die Familie folgte uns in Lyndas Wagen mit einigen Stunden Verspätung.

Der 25. April ist in Neuseeland, Australien und Tonga ein staatlicher Feiertag. ANZAC bedeutet:  Australian and New Zealand Army Corps, und das Ganze war eine Division der Wehrmacht des Britischen Weltreiches im Ersten Weltkrieg. Am 25. April 1915 landete das ANZAC auf der Halbinsel Gallipoli (Türkei), und wie der Name ja schon vermuten lässt, wurde die Divison aus Australiern und Neuseeländern (und Soldaten aus Tonga) gebildet. Sie  kämpfte in der Schlacht von Gallipoli, im Nahen Osten sowie in Frankreich und Belgien. Auch in Belgien und Frankreich wird an diesem Tag der gefallenen Soldaten gedacht.

Schon 1916 wurde der 25. April in Australien offiziell als ANZAC-Day bezeichnet, in den 1920ern zum Gedenktag für die gefallenen australischen Soldaten des Ersten Weltkrieges erklärt und 1927 war er zum ersten Mal landesweit Feiertag. In Neuseeland wird dieser Tag seit 1920 in ähnlicher Form wie in Australien gefeiert.

In ganz Australien gab es an diesem Tag neben den tagsüber stattfindenden Gottesdiensten dawn services (Gedenkgottesdienste während des Sonnenaufganges). Grace ist school captain ihrer Schule und musste im dawn service in Charters Towers ihre Schule vertreten. Da wir nicht mitten in der Nacht aufstehen und in die Stadt fahren wollten, entschieden wir uns, die Nacht in Charters Towers zu verbringen. Die Familie buchte eine Kabine in einem Holiday Park und Emily und ich … well, we swagged it.

SWAGS sind typisch in Australien – ich würde sie als Outdoorschlafsäcke für jede Wetterlage bezeichnen. Sie bestehen aus einer plastik-gummi-artigen Allwetterhülle und beinhalten alles, was man persönlich zum Schlafen braucht: eine Matratze, einen Schlafsack und/oder Bettdecken und ein Kopfkissen. Ich lieh mir Dans Schlafsack aus und Emily und ich schliefen auf dem Rasen vor der Kabine unter den Sternen. Das war so schön!

Wir standen um 5 Uhr auf, machten uns fertig und fuhren zum außerhalb der Stadt liegenden Friedhof, wo um 6 Uhr der Gottesdienst begann. Verschiedene Redner hielten verschiedene Reden, es wurde der Soldaten gedacht, die Nationalhymne wurde gesungen und Kränze und Poppies niedergelegt.

Am ANZAC-Day werden von vielen Australiern und Neuseeländern Mohnblumen (Poppies) getragen, zur Erinnerung an die Gefallenen und an die Soldaten, die immer noch der Armee dienen. Die Mohnblume wird deshalb mit den Kriegsgefallenen assoziiert, da sie die erste Pflanze war, die in der Erde Flanderns (eine der Regionen des Königreichs Belgien) blühte.

Nach dem dawn service machten wir uns getrennt auf den Weg in die Stadt, um zu frühstücken. Emily und ich aßen in einem Café mit superfreundlichen Angestellten und heimeliger Atmosphäre, wo wir Zeitung lasen und die Nachrichten schauten. Danach trafen wir uns im Holidaypark mit der Familie, um uns für die marches vorzubereiten. In der Stadt würde eine Parade stattfinden, mit allen Schulen der Umgebung, Veteranen usw. Grace und Ingrid gingen in ihrer Schulgruppe mit und Emily und ich riefen ihre Namen, pfiffen und jubelten ihnen zu – wieder zu Hause handelten wir uns deswegen natürlich eine Predigt der beiden ein (“Sooooo embarassing!” – “DON’T ever do that again!”). Emily und ich fuhren nach unseren Pfeifeinlagen nach Hause, um uns für den nächsten Tag auszuruhen. Die Familie blieb länger in der Stadt, da die Parade bestimmt 2-3 Stunden dauerte – etwas, das Emily und ich nicht unbedingt haben mussten, so gern wir die Familie auch haben.

Was wir an diesem Tag nicht taten, ist ANZAC-Cookies zu backen. Das sind Kekse, die die zu Hause Gebliebenen ihren Liebsten in die weit entfernten Länder schickten. Da sie aus Zutaten bestehen, die nicht verderben, überstanden sie die weite Reise und hielten sich lange. Sie symbolisieren Liebe und Aufmerksamkeit und werden als australische Tradition verstanden. Ich habe nach dem Rezept schon unzählige Male gebacken und die Kekse sind sehr, sehr lecker.

Ihr braucht:                     | Zubereitungszeit: 20 Minuten      | Backzeit: 12 Minuten

1 Tasse Weizenmehl
1 Tasse Zucker (weißer)
1 Tasse Kokosraspeln
1 Tasse Haferflocken

125 gr Butter
2 Esslöffel gelber Zuckersirup / heller Sirup
(wenn ihr nichts anderes habt, könnt ihr auch Honig nehmen)

½ Teelöffel Natron
(gibt’s im Naturkostladen – oder ihr nehmt Backpulver)
1 Esslöffel kochendes Wasser

So geht’s:

Den Ofen vorheizen, entweder auf 160°C Ober-/Unterhitze oder 140°C Umluft. Zwei große Backbleche mit Backpapier auslegen. Butter und Sirup in einen Topf geben und mäßig erhitzen, bis die Butter schmilzt. Dann vom Herd nehmen. Während die beiden Zutaten schmelzen, das Mehl mit dem Zucker, den Kokosraspeln und den Haferflocken in einer Backschüssel zusammenmixen und das Wasser kochen. Natron in eine Tasse / Schüssel geben und mit dem kochenden Wasser mixen, dann zu Butter-Sirup-Mix geben und einrühren. Das alles zu den trockenen Zutaten in der Schüssel geben und durchmixen. Aus dem Gemisch teelöffelgroße Bällchen formen und etwas flach drücken, dann mit Abstand von einander auf die Backpapierbleche drücken. Dann ab damit in den Ofen für 10-12 Minuten oder bis sie goldbraun sind. 5 Minuten abkühlen lassen, bevor ihr sie auf ein Kuchengitter legt, um sie komplett abzukühlen. Guten Appetit!