Hallo liebe Lebensmaler!
Nachdem ich euch im letzten Post mit ins Casa Terracota genommen habe, möchte ich euch jetzt ein bißchen mehr vom eigentlichen Ort Villa de Leyva zeigen.
Villa de Leyva wurde 1572 gegründet und nach dem damaligen Präsident des spanischen Zentralgerichts von Neugranada benannt: Andrés Díaz Venero de Leiva. Auch hier (wie in vielen anderen Städten) bekommt man einen guten Eindruck der Architektur der Kolonialzeit, kann man über Kopfsteinpflaster spazieren und die getünchten weißen Wände der Häuser mit ihren bunten Fensterläden, Türen oder der herabhängenden Blumenpracht bewundern. Mein Rough Guide erzählt mir, dass es am Plaza Mayor sogar noch handbemalte Fliesen gibt, die das Reiten und Autofahren rund um den Plaza Mayor verbieten – die habe ich leider nicht gesehen. Aber von der teilweise zeitentrückten Atmosphäre habe ich mich verzaubern lassen: Kopfsteinstraßen, weiße Häuser, die einen in der Sonne blenden, wundervoll duftende Blüten, die wie Wasserfälle von den Dächern stürzen und Hunde und Katzen, die faul in der Hitze liegen … ich konnte selber auch entschleunigen und mich entspannt (wenn auch leicht erhitzt) dem Touristen-Dasein überlassen. Und wo wir gerade davon sprechen …
Nach meinem Besuch im Casa Terracota trottete ich die Straße entlang zurück Richtung Hauptstraße, die mich irgendwie wieder ins Ortsinnere bringen sollte und schwitze erbarmungslos vor mich hin, während meine Haut eine dezente Hummerfarbe annahm. Ich versuchte, ein paar an mir vorbeifahrende Auto- und sogar Motorradfahrer zu erbarmen, mich mit in die Stadt zu nehmen, aber niemand fuhr dorthin, wo ich hinmusste. Ich gab aber nicht auf. Als ich schließlich an der Hauptstraße stand, kam ein großes Auto herangefahren und ich winkte erneut freundlich. Der Fahrer hielt an und beugte sich vor, nickte auf meine Bitte hin und ließ mich einsteigen. Er fragte mich, ob ich alleine unterwegs sei, und als ich bejahte, hob er an zur gleichen Rede wie alle Kolumbianer: ich müsse vorsichtig sein, so alleine, als Frau, nicht alle Kolumbianer seien freundlich … Ich erzählte von meinen Erfahrungen und berichtete von dem Sonnencreme- und “Milchhaut”- Dilemma. Er bestand darauf, mir Sonnencreme zu kaufen, was er später auch durchaus tat, aber erstmal erzählte er von sich. Er hieß Germán Florez, war in einer Stadt nordöstlich von Villa de Leyva geboren, zugezogen und von Beruf Autor. Er war wirklich sehr nett und fragte, ob er mich zu einem Kaffee einladen könne, er träfe sich gleich mit einem Freund. Ich sagte, ich wolle nicht seine Verabredung sprengen, woraufhin er jedoch insistierte. Ich akzeptierte also und wir steuerten ein Café rechts der Iglesia de Nuestra Señora del Rosario an, wo wir seinen Freund trafen. Wir erzählten eine Weile und schließlich wollte Germán mir eins seiner Bücher schenken – er versah es sogar mit einer Widmung! Ich freute mich wirklich, denn wer hat schon solches Glück? Ich wollte ja nur mitgenommen werden, bekam aber obendrauf noch ein Getränk spendiert, Sonnencreme und ein handsigniertes Buch dazu, ganz zu schweigen davon, dass ich eine interessante Person kennenlernen durfte! Das ist einer der Gründe, warum ich immer so reisen würde, wie ich es eben tue: ich möchte Land und Leute kennenlernen und nicht nur “da gewesen” sein.
Nach unserem Kaffee verabschiedete sich Germán von mir (nicht ohne mich, meine Familie und Angie zu sich einzuladen, sollten wir je erneut nach Villa de Leyva kommen) und jeder von uns ging seiner Wege. Ich ging zuerst ins Hostel zurück, um ein bißchen zu essen, meinen Gastgebern von meinen Erlebnissen zu erzählen und die Sonnencreme auf meiner Haut zu verteilen. Danach machte ich mich auf, ein paar der von meinem Reiseführer angepriesenen Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Ich ging durch kopfsteingepflasterte Gassen, die von weißen Häusern gesäumt wurden, die wiederum Kronen von wild wuchernden Blumen trugen. Mein erster Stop war die an das Monasterío de las Carmelitas angrenzende Kirche sowie das Museo del Carmen. Diesmal kam ich durch die hintere Gasse, den Weg, den ich am Abend vorher nach Hause gegangen war. Im Hellen strahlte alles nochmal ganz anders, denn die Sonne machte das Weiß der Wände noch weißer und die Farben drumherum wirkten dadurch noch gesättigter.
Über die angeschlossene Kirche konnte ich keine Informationen finden, aber dafür über das Kloster. Das Monasterío de las Carmelitas wurde am 8. April 1645 gegründet und ist heute noch das gleiche Gebäude wie bei der Gründung vor über 350 Jahren. Die Ordensschwestern verdienen ihr tägliches Brot mit der Herstellung von Skapulieren (Überwurf über die Tunika einer Ordenstracht), dem Design und der Herstellung von Ornamenten sowie verschiedenem Kunsthandwerk. Die in etwa 30 Frauen bauen ihr eigenes Gemüse im Klostergarten an und das Kloster darf nicht bzw. nur wenn absolut nötig von Fremden betreten werden. Das Mueseo del Carmen, das ebenso wie die Kirche und das Kloster am Plazuela del Carmen zu finden ist, habe ich mir nicht angeschaut, denn so sehr interessieren mich verschiedene religiöse Gemälde, hölzerne Ikonen und Altarteile aus dem 16. Jahrhundert nicht, dass ich das nicht geringe Eintrittsgeld bezahlt hätte.
Ich wandte mich nach Südwesten (glaube ich), und schlenderte durch die schönen Straßen Villa de Leyvas. Ich versuchte noch immer, im Schatten zu spazieren, sofern es möglich war, aber um ehrlich zu sein, hatte ich mich schon irgendwie damit abgefunden, dass meine Haut diese Etappe nicht unbeschadet überstehen würde. Mein nächster planmäßiger Stop war der Parque Ricautre und das Haus desselbigen.
Antonio Ricautre kämpfte im Unabhängigkeitskrieg unter Bolívar. 1814 hatten die Royalisten die Kontrolle über das zentrale Munitionslager der bolivarianischen Armee errungen und Ricautre erkannte, dass die Freiheitskämpfer durch den Verlust ihrer Munitionsreserven den Kampf verlieren würden. Der nur 28-jährige Kämpfer schloss sich daraufhin im Lager ein, zündete ein Fass mit Pulver und jagte somit nicht nur das Lager und sich selbst, sondern auch die gegnerischen Truppen in die Luft. Das Haus in Villa de Leyva, in dem der Nationalheld geboren wurde, beherbergt heute ein Museum, das verschiedene persönliche Dinge und Dokumente Ricautres sowie Militärsobjekte zeigt. Der wunderschöne, grüne Innenhof interessierte mich mehr als die Ausstellungsobjekte, und der Eintritt sollte sogar kostenlos sein, aber leider war ich zu früh da (siesta von 12-14 Uhr). Der vigilante ließ mich nur sehr widerwillig einen kurzen Blick in den Innenhof werfen, als ich ihm erklärte, ich könne nicht warten, bis die siesta vorbei sei. Das Wenige, was ich gesehen habe, fand ich wirklich sehr schön – wie eine Oase wirkte der kleine Garten.
Gerne hätte ich mich dort niedergelassen und ein bißchen aufgetankt, aber mein Zeitplan war etwas straff. Ich machte mich auf, um den Plaza del Mercado, also den Marktplatz, zu sehen – leider wirkte er an einem Nicht-Markttag eher trist und verlassen. Schade, ich hatte gehofft, ihm auch etwas abgewinnen zu können, wenn gerade nichts los war. Zurück durch die sonnendurchfluteten Gassen ließ ich mich treiben, vorbei an kleinen tiendas, vor denen Hunde im Schatten dösten, vorbei am Parque Nariño, hin zum Plaza Mayor. Dort sah ich, dass die Türen der Iglesia de Nuestra Señora del Rosario offen standen, was mich verwunderte, denn in meinem Reiseführer stand, dass diese nur für die Gottesdienste geöffnet seien. Ich nutzte also diese Chance und schlüpfte ins kühle Dunkel der Kirche und ließ meinen Blick über die Holzbänke hin zum goldenen Altarraum schweifen. Die Kirche wurde im 17. Jahrhundert erbaut, fiel 1845 einem Erdbeben zum Opfer, nach dem sie wieder aufgebaut wurde – heute befinden sich immer noch viele der originalen Darstellungen in ihr. Mich beeindruckte besonders der goldene Altar bzw. Altarraum und mir gefiel der Gegensatz von Prunk und Schlichtheit – das leuchtende Gold stand in starkem Kontrast zu den weißen Wänden und den dunklen Holzbänken.
Als ich mich genug umgeschaut hatte, trat ich wieder hinaus auf den Plaza Mayor. Der, wie bereits geschrieben, größte Platz Kolumbiens ist umgeben von Gebäuden im Kolonial-Stil, manche mit Verandas und kleinen Säulengängen, wobei oft die Räumlichkeiten bereits saniert, modernisiert oder rekonstruiert worden sind. Der Brunnen in der Mitte des Platzes war die einzige Wasserquelle der Dorfbewohner bis ins 20. Jahrhundert! Eins der Häuser auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche ist das Casa Museo Luis Alberto Acuña, in dem der Avant Garde-Künstler gleichen Namens von 1979 bis 1994 lebte. Er selbst richtete das Museum ein, bevor er 1994 verstarb, und es sind nicht nur seine Skulpturen und andere seiner Werke, sondern auch seine Antiquitätensammlung zu sehen. Ich selbst war nicht so interessiert daran, ließ diese Sehenswürdigkeit kurzerhand ausfallen und machte mich auf den Weg zurück ins Hostel.
Dort waren Janeth und Ciro so lieb, mich noch mit etwas zu trinken zu bewirten, wir machten unsere Witze und schließlich noch ein Abschiedsfoto, weil ich ja “meinen Freunden und meiner Familie zeigen möchte, welche tollen Menschen ich auf meiner Reise getroffen habe”. Auf dem ersten Foto, das wir machten, lächelte Ciro allerdings nicht, was ich auch kommentierte. Darauf meinte er: “Pues, casi sonrío!” (“Ich lächele doch fast!”), was Janeth keck kommentierte mit: “PUES, casi no sirve! Cierto, Katha? Casi nunca sirve!” (“ALSO, fast tut’s aber nicht! Oder, Katha? Fast tut es nie!”) Auf dem zweiten Foto fiel es ihm dann gar nicht mehr schwer, zu lächeln … ich glaube, er amüsierte sich prächtig darüber, dass Janeth und ich uns so gut verstanden. Immer wieder gab es Anspielungen darauf, dass Janeth deutsche Vorfahren habe und dass wir jetzt “Deutsche unter sich” seien … und wir erklärten unser Verhalten meist mit: “Las Alemanas son así!” – “Die deutschen Frauen sind halt so!” Wir hatten viel Spaß 🙂 Das Beste war, dass die beiden später im Jahr nach Deutschland reisen wollten und wir uns vielleicht wiedersehen würden! Darauf freute ich mich schon in dem Moment, in dem ich mich zur Abreise fertig machte. Ich packte meine sieben Sachen zusammen, wir umarmten uns fest und ich machte mich dann auf den Weg zum Busdepot, um einen Bus nach Ráquira zu nehmen, DEM Kunsthandwerkerstädtchen überhaupt. Bei meinem letzten Blick auf den Plaza Mayor hatte sich der Himmel extrem verdunkelt und enorme Regenwolken schoben sich auf das Städtchen zu – trotzdem gefiel mir der Anblick sehr gut.
Leider dauerte es noch eine Stunde, bis der nächste Bus fuhr, sodass ich mich bei den Menschen im Depot erkundigte, wo ich etwas zu Mittag essen könne. Sie wiesen auf ein unscheinbares Restaurant gegenüber, wo ich ein kleines Mittagessen bestellte – aber natürlich bekam ich eine Suppe als Vorspeise und “kleine Portionen” gibt es ja generell nicht in Kolumbien. Zum Glück hatte ich Hilfe: ein Straßenhund lief hungrig zwischen den Tischen hin und her, sodass ich ihn erst mit etwas Kuchen fütterte, den ich noch hatte, und schließlich dessen leere Plastikschale mit der Vorspeisensuppe füllte. Ich hätte eh nicht alles essen können. Den Fisch, den ich ihm von meinem Hauptgang abgab, verschmähte er, sodass ich in der Küche zwei Würstchen für ihn bestellte. Diese kosteten mich später zusätzliche 6.000 COP (2€), aber so einem Schmelzblick, wie ihn der Hund aufsetzte, kann ich einfach nicht widerstehen.
Nachdem ich aufgegessen hatte, versuchte er sein Glück bei anderen Mittagsgästen, und ich lief zurück zum Busdepot und zum Bus, wo ich meinen zuvor mit einer Jacke gesicherten Platz verteidigen musste (wie die Handtücher auf Badeliegen im Hotel – bin wohl doch viel mehr Deutsche, als ich dachte, fällt mir gerade in Retrospektive auf). Kurz nachdem ich mich setzte, fuhr der Bus auch los … Richtung Ráquira, einem kleinen Kunsthandwerkerstädtchen. Es rumpelte und ruckelte …
… und wie es weitergeht, berichte ich im nächsten Post!
Bis dahin, un fuerte abrazo!
Katha