07.02.2019
Hallo liebe Lebensmaler,
heute nehme ich euch mit nach Suesca. Suesca ist ein sehr kleiner Ort im Nordosten Bogotás, über den sich prinzipiell nicht viel erzählen lässt außer, dass er ein beliebtes Ziel für Kletterer ist. Circa einen halben Kilometer außerhalb des kleinen Dorfes liegen beeindruckende Sandsteinklippen, die mein erstes Ziel auf dieser Etappe waren.
Erstmal musste ich allerdings schon eine halbe Weltreise unternehmen, um von Mosquera dorthin zu gelangen, wo ich den Bus nach Suesca nehmen konnte. Angie wohnt in Mosquera, das liegt westlich vom Zentrum Bogotás, circa 50 Minuten im Bus, immer abhängig vom Verkehr. Dann gilt es, vom Portal 80 einen Transmilenio zu nehmen, um zum Portal del Norte zu fahren – wiederum eine Stunde unterwegs. Und am Portal del Norte stellt sich die Herausforderung, die richtige Plattform finden, um durch die Schranke zu den interkommunalen Bussen (“intermunicipales”) zu gehen und den Bus nach Suesca zu nehmen. Man hat eine Karte, die man am Automaten vorhalten muss, um auf die Plattformen der Transmis zu gelangen und wenn man diese Plattform dann durch die falsche Schranke verlässt, kommt man nur zurück, indem man nochmal bezahlt und dies Mal hoffentlich auf der richtigen Plattform ankommt …
Der Bus ist dann ein kleiner, aber komfortabler Reisebus mit relativer Beinfreiheit. Begleitet wird die Fahrt von einem Assistenten, der von den Fahrgästen im Laufe der Reise das Fahrgeld einsammelt, Aussteigenden aus dem Bus hilft und auch neue Fahrgäste anwirbt. Dies geschieht, indem er sich aus dem fahrenden Bus lehnt, cool am Haltegriff der Tür festhaltend, und das Ziel in die Menge ruft. Wenn sich neue Reisende finden, hüpft er athletisch aus dem bremsenden Bus, hilft mit Gepäck und gegebenenfalls auch beim Erklimmen der Stufen. Ich wurde an einem Ort abgesetzt, der eine Westernkulisse hätte sein können … fehlte nur noch der Gestrüppballen, der vom Wind über die staubige Straße getrieben wird. Ich setze mich erstmal hin, streichelte einen Hund und beschloss, in einem kleinen Laden zu fragen. Blöd bloß, dass ich nur einen englischen Reiseführer dabeihatte und nicht wusste, wie man “sandstone cliffs” auf Spanisch sagt. Auch Klettern fiel mir nicht ein … aber die Damen konnten mir dann trotzdem weiterhelfen und die ältere begleitete mich zu einem suspekt wirkenden Pfad, der mich auf Bahnschienen durch wüste Hinterlandschaften führte. Ich war nicht sicher, ob ich wirklich richtig war, aber ja – nach kurzer Kletterpartie lösten sich meine Zweifel in Luft auf, denn die Felsen waren wirklich atemberaubend!
Ich ging ehrfürchtig an den großen Felswänden vorbei und bestaunte die Formen, die Natur und das Panorama im Hintergrund. Die Sonne kam auch heraus und ich genoss die Wanderung sehr. Als ich mich umdrehte, sah ich allerdings, dass mir in einigem Abstand zwei Männer folgten. Mir wurde mulmig, denn ich ging nun mal alleine auf abgelegenen Bahnschienen ins Nichts, in meinem Rucksack sämtliches Geld, Karten und meine Kamera. Hm. Ich versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen und grüßte die Männer entspannt. Wir kamen ins Gespräch – sie wirkten nett, hatten es aber eilig, weiterzukommen. Ich pausierte und traute mich, meine Kamera aus dem Rucksack zu holen. Beruhigt schlenderte ich weiter und erfreute mich an meiner Umgebung. Der nächste schöne Spot war ein Felsvorsprung, auf dem eine “virgen” (Jungfrauenstatue) stand und vermutlich die Bahnfahrten oder die Kletterer segnen sollte, die in ihrem Schatten die steilen Felswände zu erklimmen gedachten. Die Idylle wurde verstärkt durch zwei entlang der Schienen angepflockte und grasende Kühe. In der Ferne sah ich ein paar Schienenarbeiter ihr Tagwerk verrichten und beschloss, wieder umzukehren und auf ein paar schattigen Felsen meine Pause zu machen.
Gegen Ende meiner Pause kamen die beiden Männer wieder zurück und ich fragte höflich, ob ich mich ihnen anschließen dürfe. Leonardo und Victor nickten und wir spazierten gemeinsam zu der Stelle, an der sie ihr Auto geparkt hatten. Ich erfuhr, dass Leonardo der persönliche Fahrer von Victor war, der wiederum in der Region bestimmte Arbeitertrupps an Schienen überwachte und deren Arbeit sowie Fortschritte überprüfte. Sie fragten mich nach meiner Reise, nach meinen Erlebnissen und allem, was ich schon in Kolumbien erlebt hatte – alles, was ich ihnen über die Aupair-Familie, meine Freunde, meine Reisen und bspw. auch Couchsurfing erzählte, trieb ihre Augenbrauen in ungeahnte Höhen. “Aber was ist denn, wenn dir mal was passiert so alleine? Hast du denn gar keine Angst?”, fragte der ältere Victor ganz perplex. Wir saßen mittlerweile im Auto der beiden, da sie mir die Stadt zeigen und mich dort absetzen wollten, wo ich den Bus zu meinem nächsten Ziel nehmen konnte. Ich schüttelte den Kopf: “Ich bleibe nie lange alleine, und was die Angst betrifft – ich habe bis jetzt immer sehr nette Leute getroffen!”, und ich schaute übertrieben zwischen den beiden hin und her, was sie zum Lachen brachte. Sie setzten mich an einer Mautstation ab und ich bat sie um ein Foto, “damit ich meinen Freunden und meiner Familie die netten Menschen zeigen kann, die ich dieses Mal getroffen habe”.
Wir verabschiedeten uns und ich erkundigte mich bei ein paar Männern, die auf einem kleinen Parkplatz standen, welchen Bus ich nehme müsse zur “Puente de Boyacá“. Es stellte sich heraus, dass ich an der falschen Stelle war und hier eigentlich kein Bus fuhr, der mich zu meinem nächsten Ziel bringen sollte … na großartig, genau das, was man hören möchte, wenn man Kilometer entfernt von der nächsten Stadt steht und nicht weiß, wie man vor- oder zurückkommen soll. Das Dilemma ließ sich allerdings lösen, indem ich einen Busfahrer mit großen Kulleraugen ansah – er meinte, er könne mich auf dem Weg absetzen, es wäre dann nicht mehr weit zu der geschichtsträchtigen Brücke von Boyacá. Vertrauensvoll stieg ich in den Bus … von weiteren Abenteuern erfahrt ihr nächsten Post!
Bis dahin!
Un fuerte abrazo!
Katha